newstype__news
26.11.2024
Pressemitteilung
20.01.2015 um 00:00 Uhr
Bonn, den 20.01.2015. Wissenschaftlern des Bonner Forschungszentrums caesar, einem Institut der Max-Planck-Gesellschaft, ist es erstmals gelungen, die Funktion von Spermien optogenetisch zu steuern. Sie schleusten ein licht-aktivierbares Enzym zur cAMP-Synthese in Mäusespermien ein, denen das körpereigene Enzym zur cAMP-Synthese fehlt. Die Spermien dieser Mäuse sind normalerweise unbeweglich und die Mäuse unfruchtbar. Nach Stimulation mit blauem Licht produzieren die Spermien cAMP, beginnen wieder zu schwimmen und können sogar Eizellen befruchten. Mit der Optogenetik können Wissenschaftler also nicht nur den Einstrom von Ionen in Nervenzellen und damit deren Aktivität kontrollieren, sondern auch Signalwege in anderen Zelltypen.
Es ist ein lang gehegter Traum von Wissenschaftlern, Zellen mit Licht zu steuern. Licht kann schnell an- und abgeschaltet werden und stört nicht die natürlichen Abläufe in einer Zelle. Die größte Hürde diesen Traum zu realisieren bestand darin, Zellen gezielt mit „Lichtschaltern“ auszustatten. 2002 wiesen drei deutsche Wissenschaftler – Peter Hegemann, Ernst Bamberg und Georg Nagel – nach, dass die lichtempfindlichen Membranproteine einer einzelligen Grünalge Ionenkanäle sind und nannten sie Channelrhodopsine. Channelrhodopsine lassen sich gentechnisch in Zellen einschleusen und ermöglichen, Zellen mit Licht zu steuern. Diese Entdeckung begründete ein neues Forschungsfeld, die Optogenetik.
Bisher wurde die Optogenetik vorwiegend eingesetzt, um die elektrische Aktivität von Nervenzellen mit Channelrhodopsin durch Licht zu kontrollieren. Inzwischen wurde die optogenetische „Werkzeugkiste“ erweitert, so dass es nun auch gelingt, Botenstoff-vermittelte Signalwege in Zellen an- und abzuschalten. Ein wichtiger Zell-Botenstoff ist das zyklische AMP (cAMP), das so unterschiedliche Funktionen wie den Herzschlag, den Geruchssinn, die Lern- und Gedächtnisbildung, aber auch die Befruchtung einer Eizelle steuert. Enzyme, die sogenannten Adenylatzyklasen, synthetisieren diesen Botenstoff.
Im Jahre 2002 wurde die erste licht-aktivierbare Adenylatzyklase (PAC, photo-activated adenylate cylase) entdeckt. Seitdem sind Forscher auf weitere solche Enzyme gestoßen. Eines der neueren, prominenten Beispiele ist bPAC, eine licht-aktivierbare Adenylatzyklase aus Bodenbakterien, die von Peter Hegemann an der Humboldt-Universität in Berlin identifiziert wurde.
Wissenschaftler des Bonner Forschungszentrums caesar um Benjamin Kaupp und Dagmar Wachten stellten in Zusammenarbeit mit Peter Hegemann eine gentechnisch veränderte Maus her, deren Spermien die licht-aktivierbare Adenylatzyklase bPAC besitzen. Die Befruchtung der Eizelle ist eng mit der cAMP-Synthese verknüpft. Spermien, denen das Adenylatzyklase-Enzym fehlt, können nicht schwimmen: Die Mäuse sind unfruchtbar. Stimuliert man nun bPAC-Spermien mit blauem Licht, steigt die cAMP-Konzentration an und die Spermien schwimmen schneller, weil der Spermienschwanz schneller schlägt.
Das Ziel der Forscher war, nicht nur die Schwimmbewegung mit Licht zu steuern; sie wollten auch die Befruchtung durch Licht regulieren. Die Wissenschaftler schleusten daher bPAC in Spermien einer Mausmutante ein, der das körpereigene Enzym zur cAMP-Herstellung fehlt. Spermien dieser Mäuse sind unbeweglich und die Mäuse unfruchtbar. Nach Stimulation mit blauem Licht begannen die Spermien wieder zu schwimmen und konnten sogar Eizellen befruchten. Es ist also gelungen, etwas so Grundlegendes wie die Ei-Befruchtung mit Licht zu steuern. Die Optogenetik hat damit ein weiteres Feld außerhalb der Neurowissenschaften erobert.
Stiftung caesar
Die Stiftung caesar ist assoziiert mit der Max-Planck-Gesellschaft und betreibt in Bonn ein Forschungszentrum. Die wissenschaftliche Arbeit erfolgt nach den Exzellenzkriterien der Max-Planck-Gesellschaft.
Originalveröffentlichung:
Jansen, V., Alvarez, L., Balbach, M., Strünker, T., Hegemann, P., Kaupp, U.B. & Wachten, D. (2015) "Controlling fertilization and cAMP signaling in sperm by optogenetics" eLife 4:e05161
http://dx.doi.org/10.7554/eLife.05161
Video: