Forschungs-Nachricht
Forschende unserer Forschungsgruppe Genetik des Verhaltens haben erstmals gezeigt, dass die Fähigkeit zur Verwandtenerkennung und das räuberische Verhalten der Fadenwurmart Pristionchus pacificus beeinflussen können, ob und wie sich diese Würmer zusammenschließen. Der Verbund mit Verwandten kann den Würmern einen Vorteil verschaffen, wenn es um Nahrungsquellen oder den Schutz vor Fressfeinden geht. Diese Forschungsarbeit, die in der renommierten Fachzeitschrift PLOS Genetics veröffentlicht wurde, wird dazu beitragen, mehr über die Bedeutung dieses Verhaltens und dessen Evolution zu erfahren.
Es ist von vielen Tierarten bekannt, dass sie sich zu Familienverbünden zusammschließen und kooperieren. Die Vorteile dieses Verhaltens liegen auf der Hand. Aber ist kooperatives Verhalten unter Verwandten das erste, was uns in den Sinn kommt, wenn wir uns kleine Fadenwürmer vorstellen? Wahrscheinlich nicht! Tatsächlich verhalten sich einige Fadenwürmer wie Einzelgänger, während andere Arten Verbünde bilden. Dies ist beispielsweise bei der Nahrungsssuche von Vorteil. Forschende am Max-Planck-Institut für Neurobiologie des Verhaltens in Bonn haben diese Verhaltensweisen bei der Fadenwurmart Pristionchus pacificus genauer untersucht. Gruppen dieser Species, die auf der Spitze eines Vulkans auf der Insel La Reunion zu finden sind, bilden unter Laborbedingungen Verbünde.
Der kleine Wurm P. pacificus steht seit mehreren Jahren im Mittelpunkt der Forschung der Forschungsgruppe Genetik des Verhaltens unter der Leitung von James Lightfoot. P. pacificus ist ein Allesfresser und nutzt seine zahnähnliche Strukturen, um andere Fadenwürmer zu erbeuten. Es ist die erste Fadenwurmart, bei der ein robustes System zur Erkennung von Verwandten nachgewiesen wurde. Dank dieser Fähigkeit töten die Würmer ihre eigenen Nachkommen und nahen Verwandten nicht, wenn sie auf Nahrungssuche sind. Dieses System zur Erkennung von Verwandtschaft ist auch die Grundlage für die nun erstmals nachgewiesene soziale Verbundbildung bei dieser Art. Die Tiere können also nicht nur zwischen "verwandt oder nicht verwandt" unterscheiden - sie erkennen sogar wie eng sie mit einem anderen Wurm verwandt sind.
Das Team führte Verhaltensversuche durch, bei denen zwei Stämme von P. pacificus, die entweder eng oder nur entfernt miteinander verwandt sind, auf einer kleinen Fläche interagieren, die mit einem Nährboden aus Bakterien versehen ist. Sie konnten zeigen, dass P. pacificus es vorzieht, sich mit nahen Verwandten zusammenzuschließen, während entfernter verwandte Tiere sich gegenseitig verdrängen. "Unsere Versuche zeigen, dass das räuberische Verhalten zwischen nicht verwandten Stämmen darüber entscheidet, wer sich mit wem zusammenschließt", sagt Fumie Hiramatsu, die leitende Forscherin der Studie. Da P. pacificus häufig zusammen mit anderen Nematodenarten vorkommt, darunter auch mit dem besser bekannten Modellorganismus Caenorhabditis elegans, untersuchte das Team auch die Interaktion zwischen P. pacificus und C. elegans. Bei diesen Experimenten zeigte sich, dass C. elegans nicht in der Lage war, Verbünde zu bilden, während P. pacificus sich weiterhin mit seinen Verwandten zusammenschloss. "Dank seines räuberischen Verhaltens und seiner Fähigkeit, Verwandte zu erkennen, ist P. pacificus sogar in der Lage, das Verhalten anderer Nematodenarten zu stören. Dies könnte in seiner natürlichen Umgebung von großem Vorteil sein", sagt Dr. James Lightfoot.
In Zukunft werden die Forschenden am MPINB untersuchen, wie diese Wechselwirkungen auch andere Verhaltensweisen beeinflussen können. Weiterhin wollen sie die Bedeutung der molekularen Mefchanismen, die an der Verwandtenerkennung beteiligt sind, genauer untersuchen.